Sie ermöglichen uns die individuelle Gestaltung eines Wohnraums. Schon vor rund 10.000 Jahren wurden verschiedene natürliche Rohstoffe gemischt um daraus Baustoffe herzustellen.

Mit der Entstehung der chemischen Industrie war es nötig, dass Baustoffe immer mehr Anforderungen erfüllen mussten. Durch die Erfindung des Kunstdüngers Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Erfolgsgeschichte der Chemie. Noch kurze Zeit zuvor starben Hunderttausende in Europa an Hunger.

Durch die wachsende Zahl der Bevölkerung mussten Baustoffe schnell verfügbar sein und sich schnell verarbeiten lassen. Hinzu kamen auch noch gestalterische Aspekte.  Es genügte nicht mehr nur ein Dach über dem Kopf zu haben. Wohnraum musste zunehmend repräsentativen Gesichtspunkten entsprechen. Möglich wurde dies durch den Einsatz von Chemie.

Der verantwortungslose Umgang mit der Chemie führte dazu, dass  z.B.  in den 1970er Jahren der Rhein ein toter Fluss war.  Müttern wurde es abgeraten zu stillen, da die in der Muttermilch enthaltenen Schwermetalle ein zu großes Risiko waren.

Heute leben wieder Fische und Krebse im Rhein. Mittlerweile wurde auch erkannt, dass Chemie in Baustoffen gesundheitliche Beschwerden verursachen kann. Getan hat sich aber erschreckend wenig. Als jüngstes Beispiel der Polystyrol-Wahnsinn. Im Oktober 2016 wurden HBCD-haltige Dämmplatten aus Polystyrol (Styropor) als Sondermüll deklariert. Zwei Monate später wurde diese Entscheidung revidiert, da Verbrennungsanlagen mit entsprechendem Filter fehlen. Bis Ende 2017 darf Styropor wieder wie bisher entsorgt und verbrannt werden. Die Erkenntnis, dass bei der Verbrennung giftiges Brom entsteht, spielt also erst mal keine Rolle!

Da es nur für wenige der in Bauprodukten eingesetzten Stoffe Richt- oder Grenzwerte gibt, ist es nicht verwunderlich, dass wir unseren Wohnraum mit Schadstoffen belasten. Die Folgen sind Asthma, gereizte Augen, Kopfschmerzen, Heuschnupfen, Schlafstörungen, Hautreizungen,  um nur einige der Beschwerden zu nennen, die auf Schadstoffe im Baumaterial zurückzuführen sind.

Ca. 10% der in Baustoffen enthaltenen Chemikalien wurden bisher überprüft und Grenzwerte festgelegt. Diese Grenzwerte gelten für gesunde Erwachsene im mittleren Alter. Jeder Stoff wird einzeln geprüft. Wie sich der Schadstoffcocktail auf unsere Gesundheit auswirkt, wurde nicht analysiert.

Ein weiteres Problem ist die Deklaration von Baustoffen in Deutschland. Die tatsächlich enthaltenen Inhaltsstoffe müssen nicht ausgewiesen werden. Es geht sogar so weit, dass Produkte unter falscher Bezeichnung verkauft werden dürfen.

Kalk-Zementputz wird als natürlicher Kalkputz verkauft, Silikatdispersion als Silikatfarbe, lösemittelhaltiger Lack als lösemittelfrei usw.

Solange gewisse Grenzwerte nicht überschritten werden, müssen Zuschlagstoffe nicht genannt werden. Deshalb darf Kalk-Zementputz als natürlicher Kalkputz verkauft werden. Dass der Verbraucher getäuscht wird spielt keine Rolle.

Ähnlich verhält es sich bei den vielen Umweltlabels. Ein solches Label verspricht NICHT ein schadstofffreies Produkt zu kaufen. Es bedeutet nur, dass dieses Produkt die Vergabegrundlagen erfüllt hat. Als Beispiel, die Vergabegrundlagen vom „blauen Engel“ für emissions- und schadstoffarme Lacke.  Der blaue Engel ist das älteste deutsche Umweltzeichen.

Verunreinigungen mit Schwermetallen sind bis zu 100 Milligramm pro Kilogramm erlaubt, bei Blei bis 200 mg, freies Formaldehyd ist bis zu zehn Milligramm pro Kilogramm zulässig. Der Gehalt an Lösemitteln darf bis zu zehn Gewichtsprozent betragen. Der Gehalt an Isothiazolinonen (BIT und MIT) ist auf 200 Milligramm pro Kilogramm beschränkt, doch den Herstellern wird ein Hintertürchen offen gehalten, wodurch am Ende dann doch höhere Gehalte möglich sein können. Gerade bei den VOCs ist der Blaue Engel nicht sehr streng. Mit dem blauen Engel zertifizierte Produkte dürfen bis zu einem Lösemittelanteil von 1,0g/l mit „frei von Lösemitteln“ werben.