Es genügt in der heutigen Zeit nicht mehr die Putze nur anhand der Namen unterscheiden zu können. Kenntnisse über die Inhaltsstoffe und den daraus resultierenden Anwendungsmöglichkeiten und möglichen Gesundheitsrisiken sind zwingend erforderlich. Nur so können Putzschäden vermieden und der Wunsch nach gesundem Wohnraum realisiert werden. Moderne Baustoffe und das aktuell stattfindende Umdenken der Bauherren erfordern genaue Kenntnisse.

Deshalb lade ich Sie auf eine spannende Reise in die Welt der Putzmörtel ein. In den nächsten Wochen möchte ich Ihnen einiges über die verschiedenen Putzarten und deren Einsatzgebiet erzählen. Warum das auch für Sie als Bauherr wichtig ist zeigt folgendes Beispiel:

Immer wieder mal rufe ich die Produktberatung von verschiedenen Putzherstellern an. Dort erfahre ich manchmal nützliches, oft auch amüsantes. Die fachliche Qualität der Berater ist nicht immer überragend aber meistens ausreichend. In ganz seltenen Fällen treffe ich aber auch auf Berater, die absolut keine Ahnung von Putzen haben. So geschehen bei meinem letzten Telefonat.

Weil ich eine Frage zu Zementklinker in deren NHL hatte, habe ich den zuständigen Kalk- und Zementhersteller kontaktiert. Dort sprach ich mit einen Dipl. Ing. der in der Produktberatung tätig ist.

Ich möchte nicht das ganze Gespräch wiedergeben, welches fachlich unterirdisch war. Eine Aussage hat mich aber wirklich schockiert. „Gipsstaub der beim Schleifen von altem Gipsputz anfällt, kann mit Wasser wieder zu Gipsputz angerührt werden.“ Solch eine Aussage von einem Produktberater ist wirklich traurig.

Deshalb ist es deutlich günstiger selbst ein wenig Zeit zu investieren um das nötige Wissen zu sammeln. Wer sich auf Verkäufer und Berater verlassen muss, kann böse Überraschungen erleben.

Bindemittel

Welche Eigenschaften ein Putzmörtel aufweist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bindemittel, Sand, Zuschlagstoffe und chemische Zusätze. Maßgeblich ist aber vor allem das Bindemittel. Dieses sorgt dafür, dass aus Sand und z. B. Zement ein Putz entsteht. Durch die Zugabe von Wasser entsteht ein Bindemittelleim, der die Sandkörner umschließt und nach einer bestimmten Zeit erhärtet.

Zudem gibt das Bindemittel vor, über welche Eigenschaften der Putzmörtel verfügt. Ob er im Innen- oder Außenbereich eingesetzt werden kann, auf welchen Untergründen er funktioniert und wie sich der Putz auf das Raumklima auswirkt.

Die heute überwiegend am Bau eingesetzten Putzmörtel enthalten mehrere Bindemittel. Im Idealfall erkennt man dies bereits an der Produktbezeichnung. Kalk-Zementputz, Kalk-Gipsputz, Kunstharzputz und so weiter. Verlassen kann man sich aber darauf nicht, wie folgende Beispiele zeigen:

Weber cal. 172: Wird laut Hersteller als ein natürlich-mineralischer Kalkputz vertrieben, enthält aber überwiegend Zement und fast keinen Kalk.

Weber pluscalc: Wird als Innenputz mit kalkähnlichen Eigenschaften vertrieben, enthält aber überwiegend Gips, ein wenig Zement und ein wenig Kalk.

Knauf MineralAktiv Scheibenputz: Wird als mineralischer Scheibenputz mit optimiertem Feuchtemanagement vertrieben, enthält aber Polymerdispersion und Silikonharz-Emulsion wobei es sich dabei um ein organisches Bindemittel handelt.

Gerade wenn es um Putzmörtel geht, die das Raumklima verbessern sollen, ist ein genaues Hinsehen sehr wichtig. Die Produktbezeichnung dient oftmals nur als Verkaufsanreger. Was tatsächlich im Putz enthalten ist, kann nicht immer erkannt werden.

Mineralische Bindemittel (anorganisch)

Diese werden aus verschiedenen Rohstoffen wie zum Beispiel Kalkstein, Ton, Gipsstein gebrannt und fein gemahlen. Eine Ausnahme stellt der Lehm dar, welcher bereits (fast) verarbeitungsfertig abgebaut werden kann.

Mineralische Bindemittel werden in zwei Hauptgruppen unterteilt: Bindemittel die an der Luft erhärten (nicht hydraulisch) und Bindemittel die sowohl an der Luft wie auch unter Wasser erhärten (hydraulisch).

Hydraulische Bindemittel

Hydraulische Bindemittel erstarren und erhärten nach der Zugabe von Wasser infolge chemischer Reaktionen. Auch unter Wasser bleiben diese fest und raumbeständig. Man spricht von einer hydraulischen Verfestigung.

  • Zement
  • Hydraulischer Kalk

Nicht hydraulische Bindemittel

Nicht hydraulische Bindemittel sind auch im erhärteten Zustand nicht wasserfest und feuchtigkeitsbeständig. Sie benötigen zum Erstarren und Erhärten Luft. Unterteilt wird in carbonatische (Kalk) und hydratische (Gips) Verfestigung.

  • Gips
  • Anhydrit
  • Kalk
  • Lehm

Organische Bindemittel

Organische Bindemittel werden überwiegend aus Erdöl oder Erdgas, durch chemische Synthese hergestellt. Die so künstlich hergestellten Stoffe können mit genau den für die Verwendung benötigten Eigenschaften ausgestattet werden. Unterschieden werden die organischen (künstlichen) Bindemittel durch solche die rein physikalisch, und solche die durch eine chemische Reaktion erhärten.

Physikalisch härtende Bindemittel sind: Bitumen und wässrige Polymerdispersionen auf Poly-Acrylat-, Styrol-Acrylat-, Styrol-Butadien- oder Vinylacetat-Basis.

Zu den chemisch reaktiven gehören: Ein- und zweikomponentige Polyurethane („PU“), Epoxidbinder („EP“), silanisierte Polypropylenglykole („MS-Polymere „) und Acrylate

Die in Putzmörtel eingesetzten künstlichen Bindemittel sollen die Frischmörtel- und Verarbeitungseigenschaften verbessern. Hierzu zählen die Haftung des Frischmörtels, die Viskosität und offene Zeit sowie die Erhärtungsgeschwindigkeit.

Dies sind alles Eigenschaften, die im modernen (schnellen) Wohnungsbau sehr gefragt sind. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in vielen mineralischen Putzmörteln auch organische Zusätze zu finden sind. Diese sollen die Verarbeitung erleichtern und die Mörteleigenschaften verbessern. Leider auf Kosten der Nachhaltigkeit und in manchen Fällen auch auf Kosten der Gesundheit.

Vorschau

In meinem nächsten Beitrag werde ich berichten warum Putz auf einigen Untergründen besser haftet als auf anderen.

Bei Fragen oder Anregungen dürfen Sie mir gerne schreiben.