„Natürlicher Kalkputz ist für die Tonne. Kaum an die Wand gespritzt fällt der ganze Mist wieder runter und wo er dran bleibt bilden sich Risse.“ Solche Aussagen bekomme ich manchmal zu hören. Gerade dann, wenn ein Bauherr seinen Handwerker „zwingt“ einen natürlichen Kalkputz, ohne Zement und ohne chemische Zusätze zu verarbeiten.

Liegt das aber wirklich am Material? Ganz klar, Nein! Zu 99% sind Verarbeitungsfehler durch nicht vorhandenes Fachwissen die Ursache. Sagen Sie dies aber mal so unverblümt einem aufgebrachten Verarbeiter, der von seinem Können überzeugt ist und der schon seit 30 Jahren verputzt und somit quasi für jedes Putzsystem qualifiziert ist. Solche Gespräche machen keinen Spaß. Einerseits will man dem Bauherrn helfen, der sowieso schon panisch ist, weil er Mehrkosten, Mängel und Terminverschiebungen befürchtet. Andererseits bringt es wenig, beratungsresistente Handwerker auf Fehler aufmerksam zu machen.

Es ist halt sehr viel einfacher den Materialien die Schuld zu geben als mangelndes Wissen zuzugeben. Deshalb meinen Aufruf an alle die noch nie mit natürlichen Kalkputzen gearbeitet haben. Informiert euch oder lasst es bleiben!

Die meisten Fehler können vermieden werden indem man sich mit den Materialien beschäftigt. Natürliche Kalkputze zu verarbeiten ist nicht schwieriger als die Verarbeitung von Kalk-Zementputzen. Es gibt nur ein paar kleine Unterschiede, die beachtet werden müssen.

Welche Fehler gemacht werden und worauf man bei der Verarbeitung von Kalkputzen achten muss erfahren Sie im heutigen Beitrag. Die beschriebenen Fehler beziehen sich auf natürliche Kalkputze, die weder Zement noch chemische Haft- oder Verarbeitungszusätze enthalten.

Mangelhafte Materialkunde

Grundsätzlich haben alle nachfolgend aufgeführten Gründe ihre Ursache in der mangelhaften Materialkunde. Egal ob es dabei um die Beurteilung vom Putzgrund, die zu schnelle Trocknung oder das Entfernen der Sinterhaut geht. Nur wer sich mit dem Material beschäftigt, weiß worauf es ankommt. Dennoch möchte ich mangelnde Materialkunde als separaten Punkt erwähnen.

Nicht jeder Putzmörtel ist gleich. Das eingesetzte Bindemittel und die Zuschläge entscheiden, was bei der Verarbeitung zu beachten ist. Welche Rahmenbedingungen erfüllt werden müssen damit der Putzauftrag gelingt, erfährt man (meistens) vom jeweiligen Hersteller. Deshalb möchte ich auch an dieser Stelle wieder empfehlen die Datenblätter der Hersteller sorgfältig zu lesen.

Putzgrund nicht geeignet

Für Kalkputze ist die richtige Beurteilung vom Untergrund elementar wichtig. Die Beschaffenheit des Untergrundes hat großen Einfluss auf die Putzmörtel-Haftung und Haltbarkeit.

Der Untergrund muss sauber, trocken, tragfähig und frei von Staub sein. Sinterschichten und Ausblühungen müssen entfernt werden. Rückstände von Schalöl und anderen trennenden Substanzen müssen abgewaschen werden. Zu starkes Saugverhalten muss reduziert, ungleichmäßiges Saugverhalten egalisiert werden. Bei glatten oder nicht saugfähigen Untergründen müssen haftverbessernde Grundierungen oder Vorspritzmörtel aufgebracht werden. Nicht tragfähige Untergründe müssen entfernt oder mit entsprechenden Putzträgern überspannt werden. Wasserflecken und Verfärbungen müssen entfernt oder mit einem Isoliermittel überarbeitet werden.

Lagerschäden am Material

Calziumhydroxid (Kalkhydrat oder Luftkalk) reagiert mit Feuchtigkeit und kristallisiert. Wenn ein Putzsack zu lange oder bei hoher Luftfeuchtigkeit gelagert wird bilden sich Klumpen, weil Feuchtigkeit eindringt. Üblicherweise werden Putzmörtel in Papiersäcken abgepackt, die zwar eine Folienlage haben aber dennoch nicht komplett wasserdampfdicht sind. Zumindest dort wo der Sack beim Abfüllen verschlossen wird kann mit der Zeit Feuchtigkeit eindringen.

Wichtig: Auch wenn sich die Mörtelklumpen noch zerdrücken lassen, darf das Material nicht mehr verwendet werden.

Auch die Lagerung bei zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen kann zu Schäden führen. Zumindest dann, wenn vor der Verarbeitung nicht gewartet wird bis das Material entsprechend aufgewärmt oder abgekühlt wurde. Was aber Zeit braucht. In ein bis zwei Stunden wird kein Putz warm der mehrere Tage bei Minustemperaturen gelagert wurde.

Putzaufbau von hart nach weich

Wie bei allen Putzarten ist es auch bei Kalkputzen wichtig, beim Beschichtungsaufbau auf die Festigkeit der einzelnen Schichten zu achten. Auf einen Kalk-Grundputz ohne Zement einen Kalk-Oberputz mit Zement aufzutragen würde zu Schäden führen. Es geht aber nicht nur um evtl. enthaltenen Zement. Auch die verschiedenen Kalkarten unterscheiden sich. Putzmörtel mit NHL2 bleiben deutlich weicher als z. B. Putzmörtel bei denen NHL 5 als Bindemittel eingesetzt werden.

Auch zu dem Thema findet man die entsprechenden Angaben in den Datenblättern der jeweiligen Produkte.

Wichtig: Nachfolgende Schichten müssen die selbe Härte oder besser noch ein wenig weicher sein. Es muss von hart nach weich aufgebaut werden um Schäden zu vermeiden.

Falsche Temperatur

Unter +5°C soll Kalkputz nicht verarbeitet werden. Zum einen schreitet die Trocknung und somit die Karbonatisierung bei niedrigen Temperaturen nur langsam voran. Zudem besteht bei niedrigen Temperaturen immer die Gefahr der Frostbildung. Wenn ein kalter Windstoß auf eine feuchte Putzfläche trifft, kann auch bei niedrigen Plusgraden Frost entstehen. Wichtig ist, der Untergrund    (z.B. Mauerstein), die Lufttemperatur und das Material müssen den Mindestwert erfüllen. Auf die Luft- und Untergrundtemperatur wir meistens geachtet. Was ist aber mit dem Material?

Wenn Putzmörtel im Außenbereich gelagert wird kann es im Winter zu Problemen kommen. Putzmörtel der bei -10°C gelagert wurde, wird bei der Zugabe von Wasser Schaden nehmen.

Auch zu hohe Temperaturen sind zu vermeiden. Dem Putz wird durch hohen Temperaturen die Feuchtigkeit zu schnell entzogen.

Schichtstärken

Welche Schichtstärken eingehalten werden müssen, hängt von der Putz-Zusammensetzung ab. Das eingesetzte Bindemittel (Luftkalk oder hydraulischer Kalk) und die enthaltenen Zuschläge und der Einsatzbereich geben die Schichtstärken vor. Pro Lage sollte eine maximale Schichtdicke von 4facher Kornstärke nicht überschritten werden. (Deshalb empfiehlt es sich Grundputze zweilagig aufzubringen. Halbe Putzstärke aufspritzen, ansteifen lassen, Reststärke spritzen.)

Bei Kalk-Grundputzen in zu großen Schichtstärken gelangt CO2, welches für die Karbonatisierung wichtig ist, nur sehr langsam bis zum Untergrund. Somit kann der Kalkputz nur sehr langsam mit dem Untergrund „verfilzen“, was für die Haftung wichtig ist. Bei Kalkputzen mit Luftkalk als Bindemittel ist es deshalb wichtig, nicht stärker als 15 mm (inkl. Vertiefungen wie z. B. Mauerfugen) zu verputzen. Hinweis: Pro 10 mm Schichtstärke dauert die Karbonatisierung ca. ein Jahr.

Aber auch bei Kalk-Oberputzen, besonders bei Kalkglätten die mehlig gemahlene Zuschläge enthalten, sind zu starke Schichtstärken immer wieder Grund von Mängeln. Je feiner das Korn desto mehr Wasser wird benötigt um den Putz anzuteigen. Wird dieses Wasser entzogen verliert der Putz an Volumen. Was zur Folge hat das die Putzlage schrumpft und reißt. Auch bei Kalk-Glätten gilt: die 4fache Kornstärke pro Lage darf nicht überschritten werden.

Zu dünne Schichtstärken sind kritisch, weil der Kalkputz dann zu schnell an Feuchtigkeit verliert. Eine 15 mm Grundputzlage kann deutlich länger Feuchtigkeit speichern als eine 10 mm Putzlage.

Zu schnelle Trocknung

Wenn der Putz zu schnell trocknet verhält es sich ähnlich wie beim Aufbrennen. Durch zu schnellen Feuchtigkeitsentzug können nur wenig oder keine Kristalle gebildet werden, die für die Haftung und Festigkeit des Putzmörtels wichtig sind. Zudem kann schneller Wasserentzug auch zu Schwundrissen führen. Mehr dazu finden Sie unter „Aufbrennen vom Putz“.

Zu langsame Trocknung

Kalkmörtel vor allem Luftkalkputze erhärten nicht einfach durch die Aufnahme von CO2 (Kohlendioxid). Vorher muss Anmachwasser verdunsten, welches die Baustoffporen füllt. Nur dann kann Luft und somit auch Kohlendioxid in den Putz eindringen. Wenn also der Putz zu langsam abtrocknet wird die CO² Aufnahme und somit die Kristallbildung gestört. Deshalb muss ein Feuchtigkeitsstau, z. B. durch Sinterhaut, zu hohe Untergrund- oder Luftfeuchte vermieden werden.

Bei hydraulischen Kalkputzen (HL*) verhält sich dies mit der Trocknung ein wenig anders. Solche Putze können auch unter Wasser abbinden.

* (Hydraulischer Kalk (HL) darf nicht mit natürlich hydraulischem Kalk (NHL) verwechselt werden. HL wird durch die Beimischung hydraulischer Zusätze wie Trass, Zement usw. hergestellt. NHL enthält diese Zusätze nicht)

Aufbrennen vom Putz

Kalkputz, egal ob NHL oder Luftkalk, darf nicht zu schnell trocknen. Um zu karbonisieren (Kristalle bilden) wird Feuchtigkeit benötigt. Wird die Feuchtigkeit zu schnell entzogen „verbrennt“ der Putz und bindet nicht ab. Die Folgen sind mangelnde Haftung am Untergrund, geringe Druckfestigkeit und sandende oder kreidende Putzlagen.

Stark saugende Untergründe, hohe Temperaturen, Sonneneinstrahlung und Zugluft können für den schnellen Wasserentzug verantwortlich sein. Deshalb müssen saugende Untergründe gewässert und in manchen Fällen mit geeigneten Materialien vorbereitet werden. Zugluft und direkte Sonneneinstrahlung soll vermieden werden. Zudem sollten frische Kalkputze bei Bedarf die ersten 48 Stunden gewässert werden. Wer seinen Kalkputz die ersten beiden Tage mit ausreichend Wasser versorgt, unterstützt die Kristallbildung. Sehr gut haftende und stabile Putzlagen sind die Belohnung.

Sinterschichten

Bei der Verarbeitung von Kalkputzen entsteht an der Oberfläche eine Sinterhaut (auch Sinterschicht genannt). Dabei handelt es sich um eine harte, glasartige Schicht, die wie eine Trennschicht wirkt. Zudem besteht die Gefahr, dass dicke Sinterschichten aufgrund der größeren Spannung abplatzen. Erkennen kann man die Sinterhaut daran, dass die Putzlage glänzt. Durch eine Benetzungsprobe (Wasser aufsprühen) kann auch erkannt werden ob eine Sinterhaut vorhanden ist. Wenn Wasser abperlt ist die Oberfläche versintert.

Intensive Strukturierung, zu dünn angemachtes Material oder eine verzögerte Trocknung (niedrige Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit) sind die Ursachen der Sinterhautbildung. Durch das Bearbeiten der Putzlage werden Bindemittel und Feinteile an die Oberfläche transportiert. Dort wandeln diese sich zu Kalkstein (CaCO3) um.

Anstrich

Wenn beim Verarbeiten vom Kalkputz alle Fehler vermieden wurden, gibt es noch eine letzte Gefahrenquelle. Die spätere Endbeschichtung. Wer hierzu eine Farbe wählt, die den Putz abdichtet, zerstört diesen.  Zudem besteht bei den Anstrichstoffen die Gefahr, dass diese Schadstoffe enthalten. Die meisten Farben enthalten Titandioxid und oft noch andere Zusätze die bedenklich sind.

Dispersionsfarben: Diese dichten ab und behindern so die CO2 Aufnahme. Was zur Folge hat, dass die bereits gebildeten Kristalle zerfallen. Das Ergebnis sind stark sandende Kalkputze. Zudem macht es natürlich auch keinen Sinn einen hoch diffusionsoffenen Putz unter einer Kunststofffarbschicht zu begraben.

Silikatfarben: Auch bei streichfertigen Silikatfarben ist Vorsicht geboten. Diese enthalten in der Regel einen Dispersionsanteil und sind nicht so diffusionsoffen wie es scheint. Der angegebene SD-Wert ist immer in Bezug auf die Farbschichtstärke angegeben. In der Realität wird deutlich dicker gestrichen als dem angegebenen SD-Wert zugrunde liegt. Somit ist die Diffusionsfähigkeit deutlich schlechter.

Deshalb den Oberputz direkt im Wunschfarbton aufbringen oder mit Sumpfkalkfarbe streichen. Beide Varianten sind hoch diffusionsoffen und beim richtigen Hersteller auch noch frei von Titandioxid.

Soviel zu den möglichen Fehlern, die gemacht werden können. Nach dieser Auflistung mag sich der eine oder andere Fragen, ob ein natürlicher Kalkputz nicht doch zu anspruchsvoll in der Verarbeitung ist? Ja, er ist anspruchsvoll!

Aber wer sich an die Regeln hält, hat auch mit natürlichen Kalkputzen keine Probleme. Das ist wie im echten Leben. Wer bei rot über die Straße läuft, kann angefahren werden. Wer beim Verputzen Regeln missachtet läuft Gefahr Mängel zu verursachen.

Wenn Sie Fragen zu Kalkputzen haben oder mir über Ihre Erfahrungen berichten möchten freue ich mich auf einen Kommentar. Sollte Ihr Vorhaben zu umfangreich sein, um es hier zu schildern, kann ich Sie auch gerne persönlich beraten. Mehr dazu finden Sie hier: Beratungsangebot

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