Warum?

Genau das habe ich mich gefragt, als ich ein Schreiben von Knauf erhielt. Darin geht es um eine Produktempfehlung. Genauer gesagt um den empfohlenen Beschichtungsaufbau für ein Großprojekt. Wobei sich mein „Warum“ nicht direkt auf die Produkte bezog, sondern eher auf die Frage: Warum kann man nicht einfach halbwegs ehrlich seine Produkte verkaufen?

In dem Schreiben, und jetzt wird’s spannend, wird nämlich vermittelt: Auch Produkte mit Bioziden sorgen für ein gesundes Wohnklima. Nicht wortwörtlich, aber das ist die Botschaft, die beim mir hängen bleibt. Aber der Reihe nach.

 

Was steckt dahinter?

Mir wurde ein Knauf-Schreiben weitergeleitet mit der Empfehlung zu einem Innenputz. Konkret geht es um die Produktempfehlung für eine Wohnanlage mit 102 Wohneinheiten. Bei, sagen wir mal, durchschnittlichen 60 m² Grundfläche pro Einheit also um einen Auftrag von min. 15.000 m², nur Wandfläche. Es lohnt sich bei dem Projekt also auch für einen der großen Putzhersteller, den Bauherren von der Qualität der eigenen Produkte zu überzeugen. Und genau das hat Knauf versucht, mit allen Mitteln, wie mir scheint.

Laut der Knauf Empfehlung sollen die Außenwände mit Rotkalk und die Innenwände mit Gipsputz verputzt werden. Die Verkaufsstrategie dahinter: Möglichst günstig und trotzdem mit Begriffen wie „wohngesund“ oder „feuchteregulierend“ punkten. So kommt es mir zumindest vor.

Ich kenne das Objekt nicht aber ich gehe davon aus, dass die meisten Räume drei Innenwände und eine Außenwand haben. Das bedeutet: Drei Wände mit REA-Gips, also dem Abfall aus der Rauchgasentschwefelung, und eine Wand mit zementhaltigem Rotkalk. Ja, das ist billig und man kann dem Bauherrn immerhin sagen, die Außenwand, also die, die z.B. am anfälligsten für Schimmel ist, bekommt einen Kalkputz. Das ist super, um künftige Probleme zu reduzieren und somit auch um Unterhaltskosten zu sparen. Soweit kann ich den Gedankengang verstehen, auch wenn ich der Meinung bin, ein zementhaltiger Kalkputz bringt nicht die kalktypischen Vorteile.

 

Jetzt wird’s seltsam

In dem Schreiben geht es noch weiter: Auf den Rotkalk soll, um eine glatte Oberfläche zu erreichen, der Rotband Reno aufgetragen werden. Das ist eine Gipsspachtelmasse aus dem Eimer.

Gips auf Kalk? Ja, das kann man machen. Aber Sinn macht es für mich nicht. Wenn Kalk auf die Außenwand kommt, weil man sich davon Feuchteregulierung oder Schimmelschutz erhofft, warum dann eine organische Gipsspachtel mit Polymerdispersionen als Bindemittel darüber?

Übersetzt heißt das nämlich: Man trägt Nährstoffe für Schimmel auf und dichtet gleichzeitig die Oberfläche ab. Also genau das Gegenteil von dem, was Kalk eigentlich leisten soll. Sorry, aber da frage ich mich, ob der zuständige Knauf-Berater überhaupt halbwegs verstanden hat, worum es eigentlich geht, bei den Themen Wohngesundheit und Feuchteregulierung. Oder geht es doch nur um Umsatz?

 

Hier hört der Spaß auf

Das war aber noch immer nicht der Grund, weshalb ich mir beim Lesen von dem Schreiben die Frage „Warum“ gestellt habe.

Der Rotband Reno ist nicht nur eine Gipsspachtelmasse um Oberflächen zu glätten. Nein, der Reno sticht auch durch seine inneren Werte hervor. Er enthält auch noch drei verschiedene Biozide, sprich Konservierungsmittel. Für alle, die’s nicht wissen: Biozide sind Substanzen zur Schädlingsbekämpfung. Also gegen Pilze, Bakterien, Mikroben, Insekten, oder auch Ratten. Also genau das Zeug das man sich in seiner Wohnung, im Schlafzimmer oder gar im Kinderzimmer wünscht.

Und dann setzt Knauf noch einen drauf

Am Ende des Schreibens steht: „Rotband Reno hat keinen wesentlichen Einfluss auf die positiven Eigenschaften wie Schadstoffabbau und Feuchteregulierung vom Rotkalk.“

Und das war mein ganz persönlicher Warum-Moment.

Warum wird dem Bauherren erzählt, eine abdichtende Gipsspachtelmasse mit Bioziden ändert nichts an den Eigenschaften vom Rotkalk? Heißt das im Umkehrschluss: Der Rotkalk kann gar nicht das, was in der Werbung versprochen wird? Oder ist das Ganze einfach ein geschickt formuliertes Verkaufsargument?

Ich weiß es nicht.
Ich kann nur hoffen, und die Tatsache, dass mir dieses Schreiben überhaupt zugespielt wurde, spricht dafür, dass der Bauherr nicht auf diese Empfehlung hört.

 

Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Wenn Sie ein ähnliches Schreiben vorliegen oder eine seltsame Produktempfehlung von einem Putzhersteller erhalten haben, lassen Sie es mich wissen.
Ich berichte gerne darüber, wenn es dazu beiträgt, mehr Transparenz in diese Branche zu bringen.

Und wenn Sie mich über diesen Fall auch mal sprechen hören wollen:
Auf meinem YouTube-Kanal finden Sie das passende Video dazu: Knauf Reno auf Rotkalk: Wie gut ist das wirklich?

 

Bleiben Sie kritisch,
Gerold Engist