Immer mehr Bauherren haben erkannt, wie wichtig es ist sich bei der Produktwahl nicht nur auf die Aussage vom Hersteller oder dem Verarbeiter zu verlassen. Mittlerweile werden auch die Sicherheitsdatenblätter (kurz SDB) genutzt um die Zusammensetzung der Baustoffe zu erfahren. Leider liefert aber auch das Sicherheitsdatenblatt nur begrenzt Auskunft über die Inhaltsstoffe. Ob ein Produkt frei von gesundheitsgefährdenden Zusätzen ist, ist nicht ersichtlich.

Warum das so ist, werde ich Ihnen in diesem Beitrag aufzeigen.

Eins muss Ihnen bewusst sein im Umgang mit dem SDB: Sicherheitsdatenblätter helfen der Industrie und dem Verarbeiter beim Umgang mit Produkten. Ob das Produkt aber tatsächlich frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen ist, erfahren Sie nicht. Dafür gibt es einen Grund.

Die Industrie investiert Millionen in Lobbyarbeit und darf deshalb mitbestimmen. Die Putzmörtel DIN 18550 ist dafür sicher ein gutes Beispiel. Diese DIN wurde 2014/15 geändert um möglichst viele Putze als Kalkputze klassifizieren zu können. Was denken Sie, wer in den DIN-Ausschüssen mehr vertreten war? Der kleine Kalkhersteller, der ein möglichst reines Produkt schützen möchte oder eher die Industrie?

Ein weiteres Beispiel sind lösemittelfreie Produkte. Wenn Sie ein Produkt kaufen, welches als „lösemittelfrei“ gekennzeichnet ist, gehen Sie davon aus, dass keine Lösemittel enthalten sind. Falsch gedacht. Auch Produkte, die als „lösemittelfrei“ gekennzeichnet sind, dürfen bis zu 0,5% Lösemittel enthalten. Weil dieses Zugeständnis vom Gesetzgeber der Industrie aber noch nicht gereicht hat, wurde kurzerhand die Definition von Lösemittel verändert. Lösemittel mit einem Siedepunkt oberhalb von 200 °C gelten deshalb nicht mehr als Lösemittel und müssen nicht genannt werden.

Was muss ins Sicherheitsdatenblatt?

Auch bei der Entwicklung vom Sicherheitsdatenblatt muss die Industrie die Finger im Spiel gehabt haben. Anders kann ich mir die mangelhafte Aussagekraft nicht erklären.

Bei Baustoffen muss die vollständige Zusammensetzung (Rezeptur) nicht angegeben werden. Eine Beschreibung des Gemischs reicht aus. Bei Gemischen wird in zwei Kategorien unterteilt. Die kennzeichnungspflichtigen und die nicht kennzeichnungspflichtigen Gemische.

Bei den kennzeichnungspflichtigen Gemischen, müssen alle gesundheitsgefährdenden und umweltgefährlichen Stoffe genannt werden. Auch Stoffe, die einen EU-Grenzwert haben. (Hinweis: Von rund 68 Millionen chemischen Verbindungen gibt es nur für einen Bruchteil Grenzwerte).

Dies sind:

  • akut und chronisch gewässergefährdende Stoffe der Kategorie 1
  • krebserzeugende, keimzellmutagene und reproduktionstoxische Stoffe (außer keimzellmutagene Kategorie 2),
  • akut toxische Stoffe (außer Kategorie 4)
  • sensibilisierende Stoffe
  • ozonschädigende Stoffe

Ab einer Konzentration 0,1% müssen diese Stoffe genannt werden.

Bei 0,1% hat man zunächst das Gefühl der Sicherheit. Auf einen Innenputz hochgerechnet, schaut das aber ganz anders aus. Bei einem Einfamilienhaus mit 500 m² Wandfläche werden ca. 10.000 kg Putz verarbeitet. Das bedeutet, der Putz darf bis zu 9,99 kg von jedem – unter Umständen hochgiftigen Zusatz – enthalten, ohne dass der Hersteller diese benennen muss.

Weitere kennzeichnungspflichtige Gemische, welche genannt werden müssen sind:

  • chronisch gewässergefährdend (außer Kategorie 1)
  • keimzellmutagene Stoffe der Kategorie 2
  • akut toxisch der Kategorie 4
  • ätzend oder reizend
  •  „STOT”-Stoffe (Spezifische Zielorgantoxizität)

Diese Stoffe müssen ab einer Konzentration von 1% im Gemisch genannt werden. Beim o.g. Innenputz-Beispiel sind das dann 99,99 kg pro Giftstoff. Um Sie richtig wach zu machen noch ein anderes Beispiel: Es gibt viele Fallbeispiele, die zeigen, dass Menschen durch die inhalative Aufnahme von relativ geringen Mengen N,N-Dimethylanilin (akute Toxizität, Kategorie 4) starben. Eingesetzt wird dieser Stoff z. B. in Naturstein-Spachtelmassen.

Auch die nicht kennzeichnungspflichtigen Gemische müssen erst ab einer Konzentration von 1% genannt werden.

Um den Herstellern die Vermarktung oft gesundheitsgefährdender Produkte zusätzlich zu erleichtern, dürfen Inhaltsstoffe auch umschrieben werden. Bei Putzen wird oft die Umschreibung „Zusätze zur besseren Verarbeitung“ verwendet. Auch Ersatznamen wären möglich. Der Hersteller muss nur nachweisen, dass der vertrauliche Charakter seines geistigen Eigentums gefährdet ist. Bei der Offenlegung eigener Rezepturen ist dies aber ein Leichtes.

Wenn es darum geht Produkte ohne Schadstoffe zu finden, ist das Sicherheitsdatenblatt nicht wirklich hilfreich. Nur eine gesetzlich vorgeschriebene Volldeklaration, wo wirklich alle Inhaltsstoffe beim Namen genannt werden müssen, würde Sicherheit bieten. Bis es soweit ist sollten Sie kleine Hersteller bevorzugen, denen der einzelne Kunde noch wichtig ist.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, auf der Suche nach schadstofffreien Baustoffen? Ich freue mich auf Ihre Kommentare und wünsche Ihnen eine gute Zeit und ein ehrliches Miteinander.

Grüße aus Marktbreit
Gerold Engist